Die Presse oder Feigheit vor Twitter-Thronen

Die „Distanzierung“ der „Presse“-Chefredaktion von einem persönlichen Text über Kindererziehung und das Löschen einer Glosse zur öffentlichen Erklärung des Apple-Geschäftsführers Tim Cook über seine sexuellen Vorlieben in der „Neuen Zürcher Zeitung“ folgen einem Muster.

Mit lauthalsen Beschwerden versuchen Personen, meist Angehörige der chattering class, zu verhindern, dass gewisse Meinungen überhaupt abgedruckt werden dürfen. Dabei wird meist schweres Geschütz aufgefahren, nicht zu vergessen hochgradige moralische Empörung, „dass so etwas überhaupt abgedruckt wird.“ (Pressefreiheit, schau owa …)

Die Zeitungschefs sind aber zu feig, für Meinungsvielfalt und gegen Angehörige ihres eigenes sozialen Dunstkreises aufzutreten. Dafür lassen sie ihre eigenen Journalisten im Regen stehen, bei denen sie womöglich zuerst sogar eine „kontroversielle Meinung“ bestellt hatten. Feige, schäbige Chefs.

Das ist bemerkenswert, als es der Stolz mancher Zeitung war, widerständige Meinungen zu veröffentlichen oder gekonnt staatliche oder gesellschaftliche Zensur zu umgehen. Später war man auf kontroversielle Debatten stolz, weil sie Beweis einer lebendigen Demokratie seien. Das ist ja auch viel spannender als nur zwischen zwei Nuancen der gleichen Mainstream-Meinung auswählen zu können. Damit ist es nun aber wieder vorbei.

Es ist auch bemerkenswert, was überhaupt diesen Bannstrahl trifft. Die „Presse“-Beilage „Spektrum“ druckt regelmäßig Texte Ewiggestriger ab, die sich von den Verbrechen des Kommunismus nie distanzieren konnten; beim „Standard“ wird ein gegen bestimmte Religionsgemeinschaften hetzendes „Churchwatch“-Blog betrieben. Platz für islamistische Denker ist in beiden Zeitungen zu finden, für Gegner der Existenz Israels sowieso.

Ich sage ganz ehrlich: Das soll auch alles veröffentlicht werden dürfen. Ich brauche keine Zensur. Meine Meinung kann ich mir auch selbst bilden, danke sehr. Daher auch: Lieber widerborstige Meinungen, die zum Nachdenken anregen, den Widerspruch herausfordern, als glattgebürstete Einheitskommentare. Und selbst wenn der Text strohdumm sein sollte: Das halten wir aus. Es werden ohnehin genug andere strohdumme Artikel abgedruckt, dass es auf einen mehr oder weniger nicht ankommt.

Österreich: Auf dem Weg zum Lifestyle-Baby

Hinter dem sperrigen Titel des „Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetzes 2015“ verbirgt sich Sprengstoff: Die endgültige gesetzliche Betrachtung des Kindes als bloßes Lifestyle-Produkt, auf dessen Erhalt jeder ein Recht hat, der es will, welche Hindernisse dem auch immer im Wege stehen mögen. Und was immer das für den so gezeugten Nachwuchs bedeuten mag, der bei unerwünschten Eigenschaften auch schon einmal ausselektiert werden kann. Die Rechte der Kinder werden dabei natürlich völlig ausgeblendet — zum Jubiläum der Kinderrechtskonvention besonders pikant.

Justizminister Wolfgang Brandstetter trägt hier die Hauptverantwortung, stammt der Entwurf ja aus seinem Ressort. Das schlechte Gewissen scheint zu drücken, wie die extrem kurze Begutachtungsfrist von etwa über zwei Wochen zeigt. Sie wird damit gerechtfertigt, dass das VfGH-Erkenntnis G16/2013 ua vom 10. Dezember 2013 Teile des Fortpflanzungsmedizingesetzes mit 1. Jänner 2015 außer Kraft setzt. Diese Frist ist allerdings nicht vom Himmel gefallen, das Vorgehen des Justizministeriums kann also wohl nur als vorsätzlich bezeichnet werden.

Wie Matthias Beck aufzeigt, enthalten die Gesetzesmaterialien naturwissenschaftliche Irrtümer, um zum erwünschten Rechtsergebnis zu kommen. Ethische Überlegungen oder auch medizinische — von den Risken der Eizellspenden bis zur wachsenden Bedeutung des Wissens um Erkrankungen der genetischen Verwandtschaft — werden zu Gunsten eines „Rechts auf Erfüllung des Kinderwunsches“ ausgeblendet.

Einige mutige ÖVP-Abgeordnete wie Franz-Joseph Huainigg haben ihre Kritik an dem Entwurf kundgetan, worauf Vizekanzler Reinhold Mitterlehner einen besondern zynischen Schachzug ins Spiel gebracht hat: Die Abstimmung „freizugeben“. Denn, so sein Kalkül, das Gesetz würde natürlich trotzdem eine Mehrheit erzielen. Unterstützung aus dem Grünen Lager und dem Team Stronach bringt die nötigen Stimmen, ohne dass auch nur eine Konzession an die Gesetzeskritiker notwendig geworden wäre.

Wer ein Zeichen setzen will: Die Lebenskonferenz hat eine Petition gegen das Fortpflanzungsmedizingesetz online gestellt. Der Text ist nicht ganz geglückt, aber das Anliegen unterstützenswert. E-Mails an Justizminister Wolfgang Brandstetter unter minister.justiz@bmj.gv.at, ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka unter reinhold.lopatka@oevpklub.at und ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner unter reinhold.mitterlehner@bmwfw.gv.at sind ebenfalls empfehlenswert. Natürlich werden die von den dreien nicht selbst gelesen, aber zumindest von ihren Mitarbeitern überflogen, die damit ein Stimmungsbild erhalten.

Ach ja: Wie wichtig Wolfgang Brandstetter die Einbindung kritischer Stimmen war und ist, zeigt folgendes: In den „Salzburger Nachrichten“ ist zu lesen, der Minister habe auch schon bei Familienbischof — und Mediziner — Klaus Küng um Verständnis geworben. Im „Standard“ antwortet Klaus Küng trocken: „Wir hatten nur bei einem Empfang in Grafenegg einen Smalltalk.“ Soviel zur Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit, mit der ein Justizminister in dieser Angelegenheit vorgeht.

Der Papst in Albanien, dem Musterland

Die kurze Reise von Papst Franziskus nach Albanien ist medial etwas untergegangen, obwohl sie viele wichtige Hinweise auch für den Rest der Welt enthalten hat.

Albanien war jahrelang offiziell ein „atheistischer Staat“, womit gemeint war, dass der Kommunismus und der Kult um Staatschef Enver Hoxha Staatsreligion waren. Im Einklang damit gab es eine intensive Verfolgung der gläubigen Menschen. Wie in Albanien oder im Rahmen der Französischen Revolution, so bedeutet auch sonst aufgezwungener Atheismus nichts anderes als den gewaltsamen Versuch, den Glauben der Menschen durch eine andere Religion zu ersetzen.

Da es hier um das Innerste des Menschen geht, genauso um sein äußerstes Ziel, widersetzten sich viele mutig diesem Zwang offen; noch mehr andere zumindest heimlich. Die Begegnung des Papstes mit Überlebenden der Verfolgung ist wohl der berührendste Teil der Reise gewesen. Menschen, die jahrzehntelang inhaftiert waren, deren Todesurteil durch eine Fügung nicht vollstreckt war, die ihre Geschichte jetzt der Welt erzählen konnten. Viele andere mussten ihr Leben lassen, weswegen der Papst die Albaner als Volk der Märtyrer gewürdigt hat.

Die ganze Verfolgung erwies sich glücklicherweise als fruchtlos. Vor der Schreckensherrschaft des Hoxha-Regimes sollen etwa 70% der Albaner Moslems, 20% orthodox und 10% katholisch gewesen sein. Offiziell sind heute knapp 60% der Albaner Moslems, wiederum 10% katholisch und etwas weniger orthodox. Die übrigen Albaner neigen in der Praxis aber wohl einer der genannten Glaubensrichtungen zu, ausgenommen die ewiggestrigen Hoxha-Anhänger.

In dieser Praxis zeichnet sich Albanien durch ein friedliches Miteinander der Religionen aus. So sind auch viele Moslems in Tirana auf den Beinen gewesen, um den Papstbesuch mitzuerleben. „Papst Franziskus macht Albanien stolz“, schreibt die Deutsche Presseagentur (und in Gefolge die APA) zurecht. Zu diesem Miteinander trägt wohl auch die gemeinsame Erfahrung der Verfolgung bei.

Papst Franziskus hat der Religionsfreiheit bei der Begegnung mit den Führern anderer Religionen und christlicher Konfessionen breiten Raum gewidmet. Der ganze Text ist sehr interessant, ich möchte aber folgende Stelle besonders herausgreifen:

[…] Ich erlaube mir, auf zwei Haltungen hinzuweisen, die besonders nützlich sein können bei der Förderung dieser Grundfreiheit.

Die erste besteht darin, in jedem Mann und jeder Frau – auch in denen, die nicht der eigenen religiösen Tradition angehören – nicht Rivalen und noch weniger Feinde zu sehen, sondern Brüder und Schwestern. Wer sich seiner eigenen Überzeugungen sicher ist, hat es nicht nötig, sich durchzusetzen und Druck auf den anderen auszuüben: Er weiß, dass die Wahrheit ihre eigene Strahlkraft besitzt. Im Grunde sind wir alle Pilger auf dieser Erde, und auf dieser unserer Reise leben wir in unserer Sehnsucht nach Wahrheit und Ewigkeit nicht als autonome Wesen, die sich selbst genügen – weder als Einzelne noch als nationale, kulturelle oder religiöse Gruppen –, sondern hängen voneinander ab, sind gegenseitig der Sorge der anderen anvertraut. Jeder religiösen Tradition muss es von innen her gelingen, dem Dasein des anderen Achtung zu zollen.

Eine zweite Haltung ist das Engagement zugunsten des Gemeinwohls. Jedes Mal, wenn die Zugehörigkeit zur eigenen religiösen Tradition einen überzeugteren, großzügigeren und selbstloseren Dienst an der gesamten Gesellschaft hervorbringt, ist das eine authentische Ausübung und Entwicklung der Religionsfreiheit. Dann erscheint diese nicht nur als ein rechtmäßig eingeforderter Raum der Unabhängigkeit, sondern als eine Möglichkeit, die mit ihrer fortschreitenden Ausübung die Menschheitsfamilie bereichert. Je mehr man den anderen zu Diensten ist, umso freier ist man! […]

Und dann möchte ich etwas ansprechen, das immer ein Phantom ist: der Relativismus, „alles ist relativ“. In diesem Zusammenhang müssen wir einen klaren Grundsatz berücksichtigen: Man kann keinen Dialog führen, wenn man nicht von der eigenen Identität ausgeht. Ohne Identität kann es keinen Dialog geben. Das wäre ein Scheindialog, ein Dialog in den Wolken – er ist nutzlos. Jeder von uns hat seine religiöse Identität und ist ihr treu. Aber der Herr weiß, wie die Geschichte voranzubringen ist. Gehen wir ein jeder von seiner eigenen Identität aus, und tun wir nicht so, als hätten wir eine andere, denn das nützt nichts und ist nicht hilfreich, das ist Relativismus. Was uns verbindet, ist der Weg des Lebens, ist der gute Wille, von der eigenen Identität auszugehen, um den Brüdern und Schwestern Gutes zu tu. Gutes tun! Und so gehen wir miteinander als Geschwister. Jeder von uns bietet dem anderen das Zeugnis der eigenen Identität an und
kommt mit dem anderen ins Gespräch. Dann kann der Dialog über theologische Fragen weitergeführt werden, aber wichtiger und schöner ist, miteinander zu gehen, ohne die eigene Identität zu verraten, ohne sie zu verschleiern, ohne Heuchelei. Mir tut es gut, so zu denken.

Es gibt freilich viele Glaubensüberzeugungen, denen die Idee völlig fremd ist, in anderen Menschen Bruder und Schwester zu sehen. Man braucht nur Friedrich Nietzsche lesen, um das ganz ausdrücklich vor Augen geführt zu bekommen. Doch in einer pluralistischen Gesellschaft ist die Akzeptanz des Anderssein des Anderen Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Zusammenleben. Das auch die Akzeptanz des Eigenseins dazugehört, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ist es aber nicht, weswegen Papst Franziskus die Nebelwolke des Relativismus ansprechen muss, die auch heute noch gerne zur Tarnung von Gegnern der organisierten Religion versprüht wird.

Diskriminierung: „Levelling up“ klingt gut, ist schlecht

Der Vorstoß der SPÖ zu einer Verschärfung des Gleichbehandlungsgesetzes klingt auf den ersten Blick einmal sympathisch. Wer ist schon dafür, dass Menschen diskriminiert werden? Die SPÖ nennt das auch nett „levelling up“ — das Niveau des Schutzes gegen Diskriminierungen würde eben angehoben.

Wobei die Begründung etwas grotesk ist. Der Sieg eines Travestiekünstlers beim Song Contest hätte auf Diskriminierungen aufmerksam gemacht. Das widerspricht ja diametral den Aussagen aus der gleichen Ecke, der erste Platz für Conchita Wurst sei ein Sieg der Toleranz gewesen. Entweder — oder. Es ist doch eigentlich so: Sozialminister Hundstorfer hat diese Novelle schon zweimal auf die Reise geschickt, und sieht einen willkommenen Anlass dafür, es ein drittes Mal zu versuchen. Er soll nur bitte dafür nicht ein erfolgreiches Musikprojekt vereinnahmen. Das ist unehrlich.

Der Vorschlag, dass man bei privaten Verträgen nun gegen eine vermutete Diskriminierung nach Weltanschauung, Alter, Familienstand oder sexueller Orientierung gerichtlich vorgehen können soll, ist aber nichts anderes als eine Einladung für Klagsdrohungen und ein tiefer Eingriff in die Privatautonomie. Denn die Beweislast soll den Unternehmer treffen — eine Schuldvermutung zu widerlegen ist aber bekanntlich sehr schwierig. In Ländern, in der diese schwerwiegenden Eingriffe Realität sind, ist es daher auch geübte Praxis, bei einem Vertragsabschluss besonders deutlich darauf hinzuweisen, dass man einer durch ein Gleichbehandlungsgesetz privilegierten Gruppe angehört, um bessere Konditionen rauszuschlagen oder bei Ablehnung gleich einmal auf eine außergerichtliche Entschädigungszahlung zu pochen. Wer will den schon die schlechte Presse haben, er habe jemanden diskriminiert?

Privilegiert habe ich mit Absicht geschrieben: Denn es sind ja nur einige Merkmale arbiträr in die Liste aufgenommen worden, während andere, wohl ebenso unsachliche Unterscheidungen weiter erlaubt sein sollen. Die Religion wurde aus dem letzten Entwurf beispielsweise gestrichen, was angesichts der Erwähnung der Weltanschauung sehr seltsam ist — ist nicht jede Religion auch eine Weltanschauung? Und wer im Geschäft nicht bedient wird, weil er „so ein schiaches Gfries hat“, der wird anscheinend nach Ansicht Hundstorfers nicht diskriminiert.

Kern der Vertragsfreiheit ist ja, dass man eben frei ist, mit jedem mündigen Partner einen Vertrag abzuschließen, mit dem man das eben tun will. Und wie der kürzlich verstorbene Gary S. Becker gezeigt hat, schaden sich Unternehmer, die unsachlich diskriminieren, in der Regel selbst mehr als dem Gegenüber. Noch etwas: Was ist mit dem Recht des Unternehmers, nicht wegen seiner Weltanschauung etc. diskriminiert zu werden? Darf man ein muslimisches Restaurant zwingen, ein Buffet mit Schweinefleisch herzurichten? Einen Hochzeitsfotografen, Bilder einer Art Ehezeremonie zwischen einem Mann und mehreren Frauen auf einmal zu fotografieren? Klingt alles absurd, ist aber in manchen Ländern so oder so ähnlich bereits Thema von Gerichtsverhandlungen gewesen.

Hoffentlich bleiben wir von solchen massiven Staatsinterventionen in unser Handeln, Leben und Denken verschont.

Toleranz: Das Ausschalten anderer Meinungen?

Im 19. Jahrhundert forderte man Gleichheit vor dem Gesetz und Meinungsfreiheit. Im 21. Jahrhundert will man dagegen diskriminierende Sonderrechte, die man mit besonderer Chuzpe mit dem Kampf gegen Diskriminierung begründet, und Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die jede Kritik an der eigenen Weltanschauung ausschalten sollen.

Jüngster Beweis ist wieder einmal ein neuerlicher Anlauf für sogenannte „Homosexuellenrechte“, der nun von der SPÖ unternommen wird. Was sind „Homosexuellenrechte“? Rechte, die über die normalen Menschenrechte hinaus jemanden aus der Wahl seines Lebensstils erwachsen? Und die ÖVP, die es in den letzten Jahren noch nie unternommen hat, gesellschaftspolitische Positionen zu argumentieren, hechelt der SPÖ natürlich brav hinterher.

Der zweite Beleg ist das neue Plakat für den Wiener Life Ball, das angeblich für Toleranz wirbt. Es ist eher als Geßlerhut der „moralisch überlegenen“ gedacht und damit gerade das Gegenteil. Man möchte sich auch nicht ausmalen, welche berechtigte Kritik an der Degradierung von Menschen zum Lustobjekt dieses Plakat ausgelöst hätte, wäre es nicht mit dem Life Ball und der entsprechenden Szene assoziiert. Doch in diesem Fall ist es so: Wer es nicht goutiert, wer es z.B. im öffentlichen Raum aus Gründen des Jugendschutzes für nicht angebracht hält, wird als bigott, verschroben, verklemmt, ewiggestrig dargestellt. Daher werden die Plakate auch noch mit üppigen Subventionen der Stadt Wien bezahlt.

Nebenbei muss mir immer noch jemand erklären, warum es für den Zweck einer angeblichen Benefizveranstaltung für die Aidshilfe effizienter sein soll, von der Stadt Wien mit Geld-Subventionen versorgt zu werden an statt dieses Geld direkt der Aidshilfe zur Verfügung zu stellen. Es wird doch nicht etwa hinter dem Life Ball — der in grauer Vorzeit sogar tatsächlich die Krankheit Aids thematisiert hat — ein anderer Zweck als Benefiz stecken …

Eine offene Gesellschaft lebt davon, dass man Meinungen aushält, die einem zuwiderlaufen. Das mediale Trommelfeuer z.B. in Sachen „Homosexuellenrechte“, oft besonders frauenfeindlich als bloße „Schwulenrechte“ tituliert, bis hin zu den Forderungen, persönliche negative Meinungen gegenüber homo- oder transsexueller Lebensweise strafbar zu machen, zeigt, wie große Teile der chattering class gerade das Gegenteil einer offenen Gesellschaft anstreben. Und wer nicht passt, wird passend gemacht.

NÖ: Verbot christlicher Lieder in der Schule?

Es ist einer der Grotesken der modernen Zeit, dass Intoleranz und Fundamentalismus im Gewand der behaupteten „Diskriminierung“ daherkommt. Ein krasser Fall davon beschäftigt seit Tagen den „Standard“, der sich ja immer mehr zum Zentralorgan der Gegner organisierter Religionsausübung mausert.

Aber der Reihe nach. In Volksschulen werden Lieder gesungen; der Lehrplan sieht auch vor, dass ein Teil der Stunden des Gesamtunterrichts dafür verwendet wird. In einer Schule in Tulln hat man das Vorgeschriebene mit dem Praktischen verbunden und angesichts der bevorstehenden Erstkommunionfeier der überwältigenden Mehrheit der Klasse einige dort vorgesehene Lieder auch gemeinsam gesungen. Der „Standard“ schreibt das gewichtigere „einstudiert“ — wer die Praxis kennt, kann da freilich nur schmunzeln.

Die Eltern eines Mädchen haben sich darüber beschwert, weil sie sich darin „religiös diskriminiert“ sahen. Liedgut religiösen Inhalts — oder, wenn man es genau nimmt, irgendeines weltanschaulichen Inhalts — ist offenbar verpönt. Womit außer Liedern über bunte Blumen wohl nicht mehr viel überbleibt. Die meisten Weihnachtslieder kann man z.B. vergessen.1

Aber so wird meist gar nicht argumentiert; meist sind es lediglich christliche Ausdrucksformen, die also aus der Öffentlichkeit verbannt werden sollen, im Visier solcher Beschwerden. Anscheinend haben die Eltern mit der „Indoktrinierung“ ihrer Kinder durch andere Weltanschauungen kein Problem.

Ein zuständiger Bediensteter des Landes Niederösterreichs war sich nicht dumm genug, die Beschwerde der Eltern auch noch für berechtigt zu halten. Seine folgenreiche Fehlentscheidung wird im „Standard“ wortreich begrüßt, seine Versetzung tränenreich beklagt.

Und natürlich gab Heinz Mayer, Verfassungsexperte für jede Lebenslage, eine Wortspende ab, in dem er von einem Grundrecht schwadronierte, nicht mit Religion behelligt zu werden. Dieses Grundrecht gibt es freilich nicht, weil es kein Recht geben kann, mit einer Meinung oder Weltanschauung nicht konfrontiert werden zu dürfen. Es stünde in direktem Widerspruch zur Meinungsfreiheit.

Wenn es ein solches Recht gäbe, könnte man übrigens jeden Unterricht für Politische Bildung, Philosophie oder Ethik gleich kübeln, weil man dort mit einem möglicherweise unangenehmen religiösen oder anderweitig weltanschaulichen Inhalten konfrontiert würde.

Pragmatisch sage ich einmal so: Wenn die Kinder auch keine Toleranzmusicals und Umweltschutztage mehr über sich ergehen lassen müssen, keine Geschenke für Mutter- oder Vatertag basteln sollen, alle Feiertage vom Nationalfeiertag über Ostern zum 1. Mai einfach kommentarlos an sich vorüberziehen lassen, dann hätten die beiden Eltern vielleicht einen Punkt. In einer solchen weltanschaulich völlig neutralen Schule lernen die Kinder außerhalb des reinen Lesens, Schreibens und Rechnens allerdings nicht viel. Und die dafür notwendigen nichtssagenden Texte müssen wohl auch erst gefunden werden.

Wobei: Es ist so wie mit der Kommunikation. Man kann nicht nicht kommunizieren. Man kann nicht ohne Weltanschauung kommunizieren. Einen wirklich völlig weltanschauungsfreien Text gibt es nicht.


  1. Aber vielleicht greift man dann ja wieder auf die Deutsche Weihnacht unseliger NS-Zeiten zurück — damals wurde ja schon einmal der Versuch unternommen, Weihnachtslieder von christlichem Bezug zu lösen. 

Infantizid und der Kreis der Menschheit

Die moralische Rechtfertigung „nachgeburtlicher Abtreibung“ — die Tötung kleiner Kinder — wird immer wieder diskutiert. In der utilitaristischen Philosophe eines Peter Singer gehört sie quasi zum Kanon dazu, vor einiger Zeit haben Giubilini und Minerva die Debatte wieder angefacht. Es klingt widerlich; aber was ist mir ihren Argumenten? Ich habe dazu ein interessantes Zitat von Ramesh Ponnuru gefunden:

Was aber wohl das Schrecklichste an dieses Apologien des Kindermords ist, ist, das sie nicht ganz Unrecht haben. Sie haben unrecht in bezug auf die Rechtfertigbarkeit des Infantizids; aber sie haben recht, dass, wenn Abtreibung gerechtfertigt ist, dann auch Infantizid. Menschen, die das erste Mal von Peter Singers Ansichten hören, sind geneigt zu antworten, er sei einfach verrückt. Aber wenn die Philosophen des Infantizids wahnsinnig sind, dann nur in Chesterton’schen Sinne: Sie sind keine Menschen, die ihren Verstand verloren haben, sondern Menschen, die alles verloren haben außer ihrem Verstand. (Im Englischen ein Wortspiel: „They are not people who lost their reason, but people who have lost everything but their reason.“) Sie argumentieren fehlerlos von äußerst fehlerhaften Prämissen, die sie mit vielen Menschen teilen, die es vermeiden, Kindstötungen zu unterstützen, indem sie mangelhaft von diesen Prämissen argumentieren.

Singer und die anderen haben einfach die Prämissen hinter der Abtreibung angenommen und danach getrachtet, sie konsistent anzuwenden. Die Ideen, dass es ein moralisches Recht gebe, eine Abtreibung durchzuführen, und dass es ein gesetzliches Recht dazu geben sollte, basieren auf der Annahme, dass einige Menschen kein Recht haben, nicht getötet zu werden. Versucht man, Kriterien zu finden, die den Entzug des Schutzes von Menschen in der embryonalen und fötalen Entwicklungsstufe vernünftig erklären, stellt sich unvermeidlich heraus, dass diese Kriterien den Entzug des Schutzes von zumindest einigen Menschen in späteren Entwicklungsstufen auch rechtfertigen.

Darauf erfolgt die unvermeidliche Antwort: Irgendwo muss man eben einmal eine Grenze ziehen. Aber nein, muss man nicht. Man muss keine Grenze ziehen, die Menschen mit Rechten und Persönlichkeit von denen ohne trennt. Man kann stattdessen einen Kreis um die ganze Klasse der Menschen ziehen, und sagen, dass keiner darin willentlich getötet werden soll, wenn er friedlich handelt.