Zwei brisante EuGH-Erkenntnisse zu Asylverfahren und Dublin III

Die Migrationskrise stellt auch die Gerichte vor große Herausforderungen. Der VwGH stöhnt trotz des Asylgerichtshofs unter der Last der Verfahren; und auch der EuGH hatte nun eine ganze Batterie von Fällen zu Fragen der Behandlung von Asylverfahren zu beurteilen.

In Österreich wird wohl jenem Fall besondere Aufmerksamkeit geschenkt, bei dem Österreich und Slowenien Personen, die in Kroatien den Schengenraum illegal betreten haben, gemäß Dublin-III auch dorthin zurückschicken wollten. Es handelt sich um die Rechtssachen C-646/16 und C-490/16, wobei das Urteil in der Rs C-646/16 bereits auf der Website des EuGH eingesehen werden kann.

Durchwinken ist kein Visum

Der EuGH stellt dabei klar, dass eine bloße Duldung der Einreise nicht als Erteilung eines Visums gelten kann, sondern ein förmlicher Rechtsakt der nationalen Verwaltung notwendig ist. (Ein solcher Rechtsakt hätte aber Kroatien nicht der Pflicht nach Dublin-III entbunden, erstzuständig zu sein.) Eine Einreise aus humanitären Gründen ist zwar im Schengener Grenzkodex vorgesehen; sie gilt aber nur für den jeweiligen Mitgliedstaat und „kann daher nicht zur Legalisierung des Überschreitens der Grenze durch einen Drittstaatsangehörigen führen, das von den Behörden eines Mitgliedstaats nur zur Ermöglichung seiner Durchreise in einen anderen Mitgliedstaat gestattet wird, damit er dort einen Antrag auf internationalen Schutz stellen kann“, wie der EuGH in Randziffer 80 feststellt. Es gibt eigene Regeln im Falle eines Massenzustroms (z.B. die Richtlinie 2001/55/EG), von denen aber einige nicht anwendbar sind, die anderen keinen Übergang der Dublin-III-Verpflichtungen vorsehen.

Der Umfang des Zustroms rechtfertigt also kein willkürliches Abgehen von den rechtlichen Normen. Ein Versagen des Rechtsstaates — wie der vorübergehende Zusammenbruch der Schengen-Außengrenzen — stellt keinen Rechtsakt dar, aus dem sich Ansprüche ableiten ließen.

Eile mit Weile? Nicht bei Dublin-III

Freilich müssen sich die Mitgliedstaaten auch bemühen, ihre Rechte zu wahren. Deutschland hatte es da offenbar nicht so eilig, wie der EuGH im Urteil der Rechtssache C-670/16 durchblicken lässt.

Ein Eritreer reiste über Italien (und wohl Österreich) nach Deutschland ein, wo er im September 2015 um Asyl ansuchte. Vor dem Gericht konnte nicht gezeigt werden, wann das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von dem Fall erfahren konnte, es war aber spätestens am 14. Jänner 2016. Im Juli (!) wurde er angehört und ein förmlicher Antrag aufgenommen. Bei eienr folgenden Überprüfung stellte sich heraus, dass der Antragsteller schon in Italien registriert worden war und Italien die Daten ins europäische System Eurodac eingetragen hatte. Im August wurde daher Italien ersucht, den Eritreer wieder aufzunehmen, und mit November wurde seine Überstellung nach Italien angeordnet. Über ein Jahr nach seinem ersten Asylantrag in Deutschland.

Wohlgemerkt: Wenn ein Land der Ansicht ist, ein anderer Mitgliedstaat wäre laut Dublin-III zuständig, so muss das Ersuchen um Übernahme des Verfahrens innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags erfolgen.

Dabei nimmt der EuGH nun eine materielle Definition vor: Der Antrag gilt als gestellt im Sinne der Frist, wenn der für die Abwicklung von Dublin-III-Verfahren zuständigen Behörde eine entsprechende Information zugegangen ist. (Randziffer 103)

Beim Tempo der deutschen Behörde wäre allerdings bald ein anderes Problem schlagend geworden, denn das Land, in dem der illegale Grenzübertritt erfolgte, ist nur in den ersten zwölf Monaten für die Prüfung des Antrags zuständig.

Alois Mock

Alois Mock (2005). Quelle: Thomas Steiner via Wikimedia Commons

Alois Mock (2005). Quelle: Thomas Steiner via Wikimedia Commons

Alois Mock war ein Angehöriger einer seltenen Spezies in der modernen Politik: Ein Mensch mit politischen Idealen und Überzeugungen, die er konsequent vertreten hat. Gleichzeitig aber mit der typisch konservativen Mäßigung, die einen davor bewahrt, beim Bohren der harten Bretter in der Politik verbohrt zu werden. Sein Ausscheiden aus der Politik hat eine schmerzhafte Lücke hinterlassen, die durch seinen Tod nun noch einmal bewußt wird.

Der überzeugte Christdemokrat legte früh eine Bilderbuchkarriere hin, mit Studienaufenthalten in Bologna und Brüssel und verschiedenen beruflichen Stationen, die ihn schließlich 1966 zum Kabinettschef des Bundeskanzlers werden ließen. Mit knapp 35 wurde er zum jüngsten Unterrichtsminister Österreich und hinterließ in seiner kurzen Amtszeit bereits deutliche Spuren, wie etwa die „entscheidenden Schritte“ zur Gründung der Universität Klagenfurt, wie Helmut Wohnout schreibt.

Im gleichen Text nennt Wohnout einen Visionär, und das mit Fug und Recht. Jahrzehntelang betrieb Alois Mock die Integration Österreichs in Europa, die schon bei einer seiner ersten politischen Tätigkeiten sein Aufgabengebiet war. Rasch erkannte er die Chancen, die sich aus dem Fall des Eisernen Vorhangs ergaben. Ebenso die Möglichkeiten, die der europäische Einigungsprozess den Ländern Mitteleuropas bieten konnte. Und die Gefahren, wenn es nicht gelingen würde, denjenigen mitteleuropäischen Ländern, die unter dem Kommunismus gelitten hatten, eine gute Zukunftsperspektive zu bieten.

Als Europapolitiker weithin geachtet, wird oft der Sozialpolitiker vergessen, der viele sozialrechtliche und familienpolitische Verbesserungen selbst aus der Opposition heraus erreichen konnte. Aber auch der Wirtschaftspolitiker, dem bewußt war, dass ohne ein solides wirtschaftliches Fundament und ohne freies Unternehmertum kein Sozialstaat zu machen ist.

Hätte er sich übrigens 1986 mit seinem Wunsch einer schwarz-blauen Koalition durchgesetzt, wäre Österreich wohl die massive Erosion der Großparteien in dieser Form erspart geblieben und der Aufstieg von FPÖ und Grünen gedämpfter ausgefallen. Sein Traum einer europäischen Integration Mitteleuropas wäre dann aber wohl an der Blockade durch die SPÖ gescheitert — Mock hat mit den Karten, die ihm politisch ausgeteilt wurden, für das Land gut gespielt.

Griechenland wächst wieder

Die Griechenland-Krise hat Europa über Jahre in Atem gehalten, und ist in Wahrheit noch längst nicht vorbei. Schuldenschnitt und die Übernahme der Gläubigerposition durch die öffentliche Hand anderer EU-Mitgliedstaaten oder durch gemeinsame Einrichtungen auf der einen Seite, Spar- und Reformmaßnahmen in Griechenland auf der anderen Seite sollten die Situation unter Kontrolle bringen und vor allem wieder eine Zukunftsperspektive eröffnen.

Letzteres ist nach vielen Jahren der Tränen in Griechenland der Fall. Die Wirtschaft wächst wieder. In der Frühjahrsprognose hat die EU-Kommission für Griechenland 2017 ein BIP-Wachstum von 2,1% prognostiziert. Die Prognose der griechischen Regierung liegt etwas darunter. Jedenfalls wäre das ein höherer Wachstumswert, als er für viele andere EU-Staat vorhergesagt wird, z.B. Italien (0,9%), Österreich (1,7%) oder Deutschland (1,6%).

Das ist umso bemerkenswerter, als die griechischen Staatsausgaben seit Jahren rückläufig sind und momentan de facto stagnieren. Weitere Kürzungen sind bereits paktiert. Durch die Sparmaßnahmen konnte 2016 ein Primärüberschuss — also die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung des Staates vor Berücksichtigung des Schuldendienstes — von 0,7% des BIP erzielt werden, also höher, als ursprünglich vereinbart.

Hauptverantwortlich für die Rückkehr des Wachstums ist der Tourismus, wenn man der Analyse der Kommission glauben darf. Dieser einzig nennenswerte „Export“ Griechenlands profitiert sehr von der Türkeikrise und Terrorwarnungen in anderen Ländern. Vielerorts hofft man aber offenbar auch, das Schlimmste überwunden zu haben. Der private Konsum zieht wieder an (+1,4%) und nach Jahren schrumpfender Kapitalstöcke wird auch wieder investiert (+6,3%).

Wenn jetzt noch Regierung und Geldgeber die Unsicherheit darüber, wie man nach dem Auslaufen des Hilfsprogramms weiter vorgehen wird, beseitigen könnten, würde einer langsamen Erholung Griechenlands nichts im Wege stehen.

Völkerrecht ist immer nur etwas für die anderen

Völkerrecht ist immer nur etwas für die anderen. Der Angriff der USA auf eine syrische Militärbasis ist ein klarer Bruch des Völkerrechts, erhält aber breite Zustimmung aus Europa, einschließlich sogenannter neutraler Staaten. Dafür lesen wir: „Präsident Wladimir Putin werte den US-Einsatz als Verstoß gegen internationales Recht, sagte sein Sprecher Dimitri Peskow am Freitag.“

Das hat natürlich seine eigene Komik, siehe Südossetien oder die Krim. Doch nur, weil der Trickbetrüger von einem Taschendieb entlarvt wird, wird der Betrüger nicht unschuldig.

Aber wie soll man dem einen Völkerrechtsverletzungen vorwerfen, wenn man sie beim anderen als entschlossenes Handeln feiert?

Und wo ist, nebenbei, die europäische Außenpolitik, die wieder einfach der USA hinterstolpert? Zwischen der russischer Assad-Verteidigung und Trumps US-Kraftmeierei wäre doch noch viel Platz für eine eigenständige, am Völkerrecht orientierte Linie gewesen. Gerade angesichts vieler anderer in Europa schwelender Konflikte wäre das ein wichtiges Signal.

Doch das Vakuum, das die schwächere US-Außenpolitik hinterlässt, wurde von Europa nicht genutzt, sondern eher als Bedrohung empfunden. Man scheint richtig froh, doch nicht selbst internationale Verantwortung übernehmen zu müssen.

Es ist allerdings passend, dass die USA diesen Schritt einhundert Jahre nach dem Eintritt des Staats in den Ersten Weltkrieg gesetzt haben. Damals hatte Präsident Wilson sich als Friedenspräsident wählen lassen und drang auf die Lösung von Konflikten durch internationale Schiedsgerichte.

Doch wie schreibt Rosa Luxemburg in einer Attacke auf die Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft?

Hier erfolgt aber einer der gelungensten Witze der Weltgeschichte: Kaum hatte die „Arbeitsgemeinschaft“ eine sorgfältige Kopie des Friedensprogramms des amerikanischen Präsidenten ausgefertigt, als dieser, der eben den Mund zu einer dritten Friedensbotschaft aufgetan hatte, einen Moment schwieg und dann plötzlich erklärte: „Meine Herrschaften, ich habe mir’s überlegt: Ich mache nicht mehr Frieden, ich mache Krieg!“ […] Eine neue Verschärfung des Krieges, eine neue Ausdehnung der Rüstungen, eine neue Auflage des Massenmordes – und das gerade durch den Friedensapostel Wilson –‚ das sind die diplomatischen „Abrüstungsabkommen“ und internationalen „Schiedsgerichte“, auf die die Arbeitsgemeinschaft ihre Friedenspolitik als auf einen steinernen Felsen basiert!

Nun präferierte Rosa Luxemburg blutige Aufstände, in die sie die Arbeiter schicken wollte. Als Freundin des Friedens taugt sie wenig. Und doch entlarvt sie, wie rasch Wilson nach seiner Wiederwahl Kurs wechselt. Viele von Trumps Unterstützern fühlen sich ebenfalls düpiert, wie man lesen kann.

Nach Rosa Luxemburg kann ich jetzt den aktuellen Vorsitzenden von UKIP zitieren, Paul Nuttall, offenbar auch ein Trumpist:

„Too often rash responses to horrific situations are about the conscience of the attacker, rather than a clear-headed response to an awful situation. There are currently no good options in Syria. Assad or Isis is not a choice anyone would wish to make. But firing off missiles in an enraged response shows weakness not strength in the face of horror. I hoped for better from this administration.“

PS Nun wird sich vielleicht jemand fragen, warum ich zwar zur US-Attacke schreibe, nichts aber zum furchtbaren Einsatz von Chemiewaffen, der dem vorausging? Weil ich zu letzterem nichts beitragen kann. Die Fakten sind für jemanden, der sich aus Österreich heraus informiert, schwer zu greifen, alle Quellen von starken Eigeninteressen getrieben.

Auf dem Weg zur elektronischen Person?

Die Fortschritte bei der Programmierung sogenannter „Künstlicher Intelligenzen“ und Automatisierung immer weiterer Bereiche der Arbeitswelt erfordert auch eine Anpassung des gesetzlichen Rahmens. Keine Frage. Das EU-Parlament hat sich mit dieser Frage im Justizausschuss ausführlich beschäftigt, wie der Guardian berichtet. Das Ergebnis kann man in diesem Berichtsentwurf lesen, der u.a. Frankensteins Monster und den Golem bemüht.

Unter anderem wird vorgeschlagen, für die „ausgeklügelsten autonomen Roboter“ den Status einer „elektronischen Person mit speziellen Rechten und Verpflichtungen“ zu schaffen. Damit würde der Roboter schadenersatzpflichtig. Außerdem soll eine eigene Pflichtversicherung für Schäden von Robotern analog zur Kfz-Haftpflichtversicherung eingeführt werden.

Ein interessantes Thema, das in dem Bericht angerissen wird, ist auch die Schaffung von „Cyborgs“ — die „Reparatur und Optimierung von Menschen“, wie es im Text heißt. Ein ethisch hochbrisanter Bereich, bei dem vieles „einfach getan“ wird, ohne über die weiteren Folgen nachzudenken.

Leider wird es wie immer dort am konkretesten, wo es um neue Bürokratie geht: Natürlich braucht es eine eigene „Europäische Agentur für Robotik und Künstliche Intelligenz“, und natürlich braucht es eine Besteuerung auf Grundlage des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz im Betrieb.

Das EU-Parlament hat allerdings kein Initiativrecht, d.h. es kann keine Gesetzesvorschläge machen. Ob dieser Bericht Folgen haben wird, bleibt also der Kommission überlassen.

Sollten Deutschlands Löhne schneller steigen?

Heiner Flassbeck brachte in einem Gespräch mit „Standard“-Chefin Alexandra Föderl-Schmid einige Vorschläge zur Krisenbewältigung, die heute in Europa oft zu hören sind:

Mit der Forderung nach einem höheren Lohnniveau in Deutschland ist er nicht allein. Der ehemalige EU-Sozialkommissar Lászlo Andor schlug etwa letztes Jahr in die gleiche Kerbe. Ungeachtet dessen, dass die Löhne in Deutschland in den letzten Jahren schneller als im Durchschnitt der Eurozone gestiegen sind.

Der Pferdefuss an der Sache ist einfach: Das heißt im Umkehrschluss höhere Arbeitslosigkeit. Das hat Deutschland um die Jahrtausendwende erlebt und sich mit schmerzhaften Reformen und Lohnzurückhaltung herausgearbeitet. Mit dem gesetzlichen Mindestlohn hat man bereits einen Politikwechsel vollzogen, der anscheinend steigende Arbeitslosigkeit billigend in Kauf nimmt. Die Folgen dieser und anderer wirtschaftspolitischer Fehlentscheidungen sind am mageren deutschen Wirtschaftswachstum bereits ablesbar.

Trotzdem ist es zweifelhaft, ob die deutsche Politik eine Rückkehr in die Zeit des „kranken Manns“ Mitteleuropas aushalten würde — und worin der Nutzen für Europa liegen sollte. Ja, die deutsche Wirtschaft würde weniger wettbewerbsfähig werden. Doch nur in primitiv-merkantilistischem Denken wäre das makroökonomisch vorteilhaft. (Hinweis: Günstigere Preise nutzen den Konsumenten im allgemeinen.) Außerdem würde Deutschland in gleichem Zug weniger nachfragen, weil ja — dank geringerer Beschäftigung — viele Menschen Einkommen verlieren, während die Menschen mit den höheren Löhnen diesen Lohnzuwachs zum guten Teil in die Vorsichtskasse legen werden. Schließlich könnten sie die nächsten ohne Job sein.

Besser, man lässt die Lohnpolitik dort, wo sie hingehört. In Österreich machen das die Sozialpartner grosso modo recht erfolgreich, und die deutschen Tarifpartner haben mit Ausnahmen (ähm … Lokführerstreik) auch eine ganz gute Bilanz vorzuweisen.

Hat die EZB Irland in den Rettungsschirm getrieben?

Irland wird heute gerne als Musterknabe der Länder hergezeigt, die in der Krise unter den Rettungsschirm flüchten mussten. Trotzdem war die Krise für Irland ein enormer Einschnitt. So sank die Wirtschaftsleistung zu laufenden Preisen 2008 um 5%, 2009 um 10%, und hat bis heute das Vorkrisenniveau nicht mehr erreicht. Bereinigt man um die Inflation, dann sieht es noch düsterer aus.

Daher stößt ein Brief des damaligen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet an den dortigen Finanzminister in Irland auf großes Interesse, der nun aufgetaucht ist: Schreibt doch Jean-Claude Trichet darin klipp und klar, dass die irische Notenbank den Banken nur dann weiterhin Liquidität zur Verfügung stellen dürfe, wenn Irland Staatshilfe akzeptiert, seine Banken mit diesen Mitteln auffängt und rekapitalisiert und alle Liquiditätshilfen der Notenbank staatlich garantiert.

Die Aufregung in Irland war groß genug, dass die EZB nun diesen Brief und weitere Unterlagen veröffentlicht hat, um den Vorwurf zu entkräften, die EZB habe Irland in den Rettungsschirm gezwungen. Der Eindruck ändert sich allerdings durch das Studium der übrigen Briefe nicht.

Es ist aber der EZB auch nicht übelzunehmen, dass sie einen Missbrauch des Instruments der Notfalliqudität ELA gesehen hat. Mittels ELA kann eine EZB-Nationalbank einer illiquiden, aber mit Eigenkapital ausgestatteten Bank vorübergehend Mittel gegen geeignete Sicherheiten gewähren. In Irland wurden damit aber über Monate hinweg Banken mit enormer Schieflage am Leben erhalten.

Der Kardinalfehler Irlands war jedoch nicht die Annahme des Bailouts, sondern die allgemeine staatliche Garantie für Bankeinlagen, Pfandbriefe, vorrangige Schulden und ältere nachrangige Schulden bei sechs irischen Finanzinstutionen. Die damit verbundenen Kapitalflüsse an die betroffenen irischen Banken waren von Irland so oder so nicht zu stemmen. Freilich hat die EZB in der Folge Versuche Irlands blockiert, diese Bürde zu mildern, weil ein Dominoeffekt für das europäische Bankensystem befürchtet wurde. Das wurde von Trichet auch ziemlich deutlich angesprochen.

Man kann zu Gunsten der EZB konzedieren, dass im Moment viele Angst vor einem Kollaps des Finanzsystems hatten. Und: So leicht, wie sich das viele vorstellen, ist eine Bankenpleite nicht abzuwickeln. Unzählige Zahlungsströme können davon betroffen sein, von kurzfristigen Kreditlinien zur Unternehmensfinanzierung bis zum Gehaltskonto. Bei einem ordentlich abgewickelter Konkurs können viele dieser Beträge auf Monate hin eingefroren sein, bis man sich ein Bild der Lage gemacht hat. Wenn die größten Banken eines Landes, vielleicht sogar mehrerer Länder betroffen sind, kann das auch für viele Menschen außerhalb des Finanzsystems katastrophale Folgen haben.

Es bleibt aber dabei: Die EZB hat Irland „ein Angebot gemacht, das es nicht ablehnen konnte“. Vielleicht war es in diesem Moment die richtige Strategie; es ist aber unseriös, wenn die EZB jede Verantwortung abstreitet.

Hinweis dank Dominik Meisinger: