Diese Werke waren aber alle eigentlich an Christen gerichtet. Die intensive geistige Auseinandersetzung mit Gegnern und Kritikern des jungen Christentums brauchte eine andere Form und fand sie in einem neuen Genre, als dessen erster großer Vertreter Justin der Märtyrer († ~ 165) gelten kann: Die Apologie.
Justin stammte zwar aus dem heutigen Nablus (Flavia Neapolis) in Samarien, war aber wohl griechischer Abstammung und Heide. Bald trieb ihn die Sinnsuche und Wissbegierigkeit zu verschiedenen philosophischen Schulen, wie er in seinem Dialog mit den Juden Trypho erzählt. Eine zufällige Begegnung am Strand führte ihn zur Lektüre der jüdischen Propheten und von dort direkt zum Glauben der Christen.
Die erste Apologie ist an Kaiser Antoninus Pius adressiert, dem er darlegen will, warum die Christen „zu Unrecht gehaßt und verleumdet werden“. Die Apologie ist in ihrer Verbindung philosophischer Argumentation und christlicher Theologie bedeutend; ihre Betonung der Vernunftmäßigkeit des Glaubens wird die katholische Theologie auf Dauer beeinflussen. Der Blick in die Liturgie jener Zeit, der in einigen Kapiteln gewährt wird, ist von großem Wert. Den Zweck, die Christenverfolgungen zu beenden, erreichte die Schrift leider nicht.
Die zweite Apologie ist eine Ergänzung zur ersten, ausgelöst durch eine brutale Christenverfolgung in der Stadt Rom durch den Präfekten Urbicus. Er hatte mehrere Menschen bloß daraufhin hinrichten lassen, dass sie sich als Christen bekannt hatten. In der Schrift weist Justin z.B. darauf hin, dass auch andere Lehren, die „vermöge des dem gesamten Menschengeschlechte eingepflanzten Logoskeimes“ zumindest Teile der Wahrheit enthielten, Verfolgung ausgesetzt waren. Er verteidigt den freien Willen und damit auch die Bestrafung der Ungerechten. So sagt er im 9. Kapitel:
Damit aber niemand das nachspreche, was die vermeintlichen Philosophen einzuwenden pflegen, daß es nur Prahlerei und Schreckmittel sei, wenn wir von der Bestrafung der Ungerechten in ewigem Feuer sprechen, und daß wir verlangen, die Menschen sollten aus Furcht tugendhaft leben und nicht, weil es schön und beglückend sei, so will ich kurz darauf antworten. Wenn jene unsere Behauptung nicht zutrifft, so gibt es entweder keinen Gott, oder, wenn es einen gibt, kümmert er sich nicht um die Menschen; Tugend und Laster sind dann leere Worte und die Gesetzgeber bestrafen dann, wie wir schon sagten, mit Unrecht die Übertreter ihrer guten Anordnungen. Aber da weder diese ungerecht sind noch ihr Vater, der durch den Logos dasselbe zu tun lehrt, was er selbst tut, so sind auch die, welche diesen folgen, nicht ungerecht. Sollte aber jemand die Verschiedenheit der menschlichen Gebräuche geltend machen und sagen, bei den einen Menschen gelten gewisse Dinge als löblich, die bei anderen als schimpflich betrachtet werden, gewisse Dinge aber als schimpflich, die bei anderen hinwiederum als löblich angesehen werden, so mag er hören, was wir hierüber zu sagen haben. Einerseits wissen wir, daß die bösen Engel Gebräuche eingeführt haben, die ihrer eigenen Bosheit entsprechen; andererseits erweist die rechte Vernunft nicht alle Lehrmeinungen und Satzungen, an die sie herantritt, als gut, sondern die einen als schlecht, die andern als gut.
Ach, wie aktuell dünken sich die Proponenten von „Froh- statt Drohbotschaft“, und wie alt ist die Debatte!
Justin wurde im der Zuge der Christenverfolgung unter Mark Aurel hingerichtet. Diese brach vielleicht im Gefolge der Antoninischen Pest los, als ähnlich wie unter Nero Sündenböcke für das Unheil gebraucht wurden. Gesichert ist das Ansteigen der Verfolgungen, nicht aber die Ursache. Auch, in wieweit der Kaiser selbst für die größere Intensität der Verfolgungen verantwortlich war, ist umstritten.
Die Märtyrerakten des Justinus und seiner Gefährten werden jedenfalls allgemein als zeitgenössisch anerkannt und geben ein Bild von den „Prozessen“, die den Christen gemacht wurden.
Justins Gedenktag ist der 1. Juni.