Synode: Gestörte Kommunikation?

Wie stümperhaft die Öffentlichkeitsarbeit zur Familiensynode in Rom abläuft, kann man an den Zeitungsberichten ablesen, die etwa titelt: „Kirche korrigiert Kurs“ und von einer „Öffnung für Homosexuelle“ schreibt.1 Da wird ein Arbeitspapier präsentiert; auf Journalistenfragen dazu werden aber derart ausweichende Antworten gegeben, dass diesen gar nichts anderes überbleibt, als nach eigenem Ermessen zu interpretieren. Bischöfe protestieren gegen Passagen, und bald gilt das ganze nur mehr als Werk des Kardinal Erdö, aber (noch) nicht als Werk der Synode. Dann soll selbst Kardinal Erdö nicht hinter allen Teilen des Texts stehen.

Dabei sind die Kritiker des Papiers und die Autoren in vielen Fragen inhaltlich wahrscheinlich gar nicht so weit auseinander — so revolutionär ist der Text nicht. Vieles gibt Positionen wieder, die sich etwa auch im Katechismus finden. Vielmehr treibt viele die Sorge um gerade die (bewussten?) Missverständnisse, die jetzt so fröhliche Urständ’ feiern. Dass nicht die Heranführung der Menschen an die Wahrheit des Glaubens, sondern die Verwässerung der Wahrheit das praktische Ergebnis ist, auch wenn es eigentlich nicht intendiert war.

Offenbar ist aber auch die interne Kommunikation missglückt, wie die Verwirrung um das Arbeitspapier zeigt, die auch unter teilnehmenden Bischöfen zu herrschen scheint. Eine offene Diskussion sollte es werden — doch in der heutigen Mediengesellschaft kann so etwas auch leicht nach hinten losgehen und erst recht Gerüchte befeuern. Vielleicht wären Konsulenten, die einen Prozess begleiten, manchmal doch ihr Geld wert.


  1. Was ein völliger Kategorienfehler ist, denn das Christentum teilt Menschen nicht nach ihren vorübergehenden oder permanenten sexuellen Neigungen ein. Wie man damit umgeht, das ist der entscheidende Punkt. Und überhaupt: Katechismusleser wissen mehr. 

Österreich: Land der Kinderlosen?

Das Österreichische Institut für Familienforschung hat eine neue Studie über Kinderwunsch und die Bildung von Familien unter dem etwas sperrigen Titel „Unsicherheiten im generativen Verhalten“ veröffentlicht, über den auch in den Medien berichtet wurde.

Die Berichterstattung konzentriert sich dabei auf die Frage der Kinderbetreuung und der Aufteilung der Familienleistungen. Meist wird suggeriert, freie und flächendeckende Kinderbetreuung ab dem Kleinstkindalter wäre der vielleicht teure, aber entscheidende Puzzleteil; eine Ansicht, die dank ständiger medialer Wiederholung nun auch bei den Menschen angekommen ist.

In der Studie wird aber gleich anfangs ein wichtiger Punkt angesprochen, den ich auch aus meinem persönlichen Umfeld bestätigen kann: Welche Schritte man in seinem Leben unternimmt, hängt von Erwartungshaltung, sozialen Werte und der Zuversicht, mit der neuen Situation umgehen zu können, ab. Man nennt das die „Theory of Planned Behaviour“. Tatsächlich merken viele Menschen, dass ihnen eine Familie fehlt — spätestens, wenn sie der nach hinten verschobenen Postadoleszenz entwachsen sind. Doch in weiten Bereichen unserer hedonistischen Gesellschaft werden Kinder als Luxusgut gesehen und behandelt, wenn man sozusagen „alles andere“ schon erreicht hat.

Menschen aus einem Umfeld, in dem in der Frage des Nachwuchses nicht die „Einschränkung“ im Vordergrund steht, sondern die Bereicherung, die gegenseitige Liebe; die aus einem Umfeld stammen, in dem Kinder einfach zur Normalität gehören, wo nicht überdramatisiert wird oder überspitzte Erwartungen herrschen, was ein Kind alles zu bekommen habe, der wird sich später leichter mit der Entscheidung für das Kind tun. Die wichtigste Änderung ist nicht eine der Betreuungsplätze — auch wenn diese nicht zu vernachlässigen sind –, sondern der Herzen. Österreich ist am Papier nämlich keine kinderfeindliche Gesellschaft — die Familienleistungen kann man optimieren, sind aber in vielen Ländern Europas schlechter als in Österreich. Doch aus einem Mix von Erwartungsdruck, kinderfeindlichen sozialen Normen und mangelnder Erfahrung und Zuversicht wird ein für den Kinderwunsch tödlicher Cocktail.

Die Ehe als Aufstiegshilfe

In den USA wird schon lange beobachtet, dass Alleinerzieherhaushalte vor allem ein Phänomen der ärmeren Schichten sind, die auch eine kürzere Ausbildung genossen haben. Da es in den USA anders als bei uns bis zum Maturaalter im Prinzip lediglich eine Gesamtschule gibt, ist das für diejenigen, die nicht einmal diese abschliessen konnten, tatsächlich ein Problem. Menschen mit höherem Einkommen und höheren Bildungsabschlüssen tendieren eher zur Heirat und weisen auch niedrigere Scheidungsraten auf. Diese stabilere Beziehung färbt auch auf die Kinder ab: Kinder aus stabilen Familien weisen signifikant bessere Bildungsergebnisse und Einkommen auf und haben ein deutlich geringeres Risiko, straffällig zu werden.

Dieser Trend hat dazu geführt, dass etwa 2008 unter den Dreißigjährigen erstmals bei den College-Absolventen ein höherer Anteil verheiratet war als unter den Nicht-College-Absolventen, obwohl erstere durch die längere Ausbildungszeit tendenziell auch später heiraten.

Nun kann das zu einer Teufelsspirale werden: Gerade Menschen aus ärmeren Schichten würden von den sozialen und ökonomischen Vorteilen der Ehe besonders profitieren. Stattdessen ist aber dort die Rate der unehelichen Kinder besonders hoch. Die gesellschaftliche Kluft zwischen den Schichten steigt dadurch, obwohl empirisch gesehen für Menschen aus ärmeren Schichten die Ehe geradezu eine Aufstiegshilfe wäre.

Interessanterweise glauben manche wie etwa Isabel Sawhill am Brookings Institut, durch einen stärkeren Fokus auf Verhütung und eine Verlagerung der Zeugung von Kindern nach hinten dem entgegenwirken zu können. Das scheinen aber eher technokratische Maßnahmen zu sein. Stattdessen ginge es wohl eher um die Struktur des Beziehungsmarkts selbst, der je nach Bildungssituation und sozialer Schicht unterschiedlich funktioniert. Und um ein Phänomen, dass Ross Douthat so beschreibt:

a world where the short-term rational self-interest of both sexes — the understandable female desire to have children without taking on the burden of husbands who are often basically children themselves, and the understandable male desire not to take a steady but low-paying job when they can work part-time, goof off on the XBox, and still find willing sexual partners — conspires to keep some of the crucial ingredients of long-term happiness out of reach for a larger and larger share of the population.

Der eigentliche Schlüssel scheint in Impulskontrolle, Reflektion und der Fähigkeit zur langfristigen Perspektive zu liegen. Das sind halt ähnliche Eigenschaften, die auch für die positive Absolvierung langer Bildungswege von Vorteil sind.

Die Angst der erwachsenen Einzelkinder?

„Der Druck, den junge Menschen heute verspüren, wenn sie an Kinder denken, die sie noch gar nicht haben, ruht entweder auf Absurditäten wie diesen oder auf Missverständnissen, die sich aus ihnen ergeben“, meint Stefan Schulz in der FAZ, und ruft zu einem entspannteren Zugang zur Familiengründung auf.

Schulz überspitzt in seinem Essay, doch er trifft einen Punkt. Zur mangelnden Wertschätzung von Familien auf der Seiten gehören zum Teil völlig überspannte Vorstellungen davon, was Eltern leisten sollen. Diese Vorstellungen werden allerdings in Zeitschriften, Filmen und Essays munter transportiert und lassen viele vor Versagensangst bereits im Anlauf scheitern.

Das ist übrigens einer der Gründe, warum einem nur zu raten ist, einem Einzelkind ein zweites folgen zu lassen. Schulz beschreibt so schön, wie Eltern in der Regel vernünftiger und erdverbundener werden, wenn die Kinder einmal heranwachsen. Das setzt sich dann mit einem vielfach beobachteten entspannteren Zugang beim zweiten, dritten etc. Kind fort. Michael Prüller, achtfacher Vater und Pressesprecher der Erzdiözese Wien, könnte dazu einiges beitragen.

Dazu passt auch gleich eine Meldung im ORF, dass Einzelkinder häufiger kinderlos bleiben und mit Ehe und Familie weniger anfangen können. Das Letztere wird mit „liberale Einstellung“ umschrieben. Natürlich — aber das gilt ja eigentlich immer — trifft die Tendenz nicht auf alle Personen zu. Diese Tendenz selbst verwundert aber wenig. Umso mehr Kinder in der Familie, umso geringer sind die vorhandenen Ressourcen pro Person, doch umso größer und vielfältiger sind die familiären Bindungen, die von Einzelkindern mit kleiner Verwandtschaft so nicht erlebt und daher auch nicht geschätzt werden. Das wird auch in der vom ORF zitierten Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung beschrieben.

Da stellt sich ein wenig die Frage, ob die hohen Ansprüche, die von außen und innen an präsumptive Eltern gestellt werden, nicht auch mit den zahlreichen Einzelkindern zusammenhängen, die ja selbst in der Regel eine besonders intensive Zuwendung erlebt haben.

Usbekistan: Eine unheilige Familie

Der usbekische Staatschef Islam Karimow hat sein Land seit Jahrzehnten fest im Griff. 1989 wurde er bereits Parteisekretär der regionalen Kommunistischen Partei, beim Zerfall der Sowjetunion Präsident Usbekistans. Ein- und Ausreise sind nur unter großen Hürden möglich, immer wieder verschwinden Leute, Oppositionelle werden ermordet, es gibt Berichte von weitverbreiteter Folter. Korruption wuchert durch den ganzen Staatsapparat. Woher das kommt? Das könnte man die diversen Familienangehörigen Karimows fragen, die allesamt jeweils beträchtliche Vermögen ihr eigen nennen, das nicht bloß durch wirtschaftliches Geschick zusammengekommen sein soll.

Nun ist Karimow bereits 75 Jahre alt, will sich aber 2015 einer neuerlichen „Wahl“ stellen. Diese Wahlen ermöglichen zwar keine Überraschungen, werden aber von der Führung immer wieder für Weichenstellungen genutzt. So bringen sich jetzt anscheinend die Töchter Karimows gegeneinander in Stellung, wobei Isloms Frau Tatjana mit der jüngeren Tochter Lola konspirieren soll, um die ältere Tochter Gulnara auszubooten, die bislang als Kronprinzessin galt. Lola, UNESCO-Botschafterin Usbekistans in Genf, gab der BBC im September ein Interview, in der sie ihre Entfremdung von Gulnara schilderte.

Gulnara, deren Tätigkeiten von Pop-Sängerin bis Modedesignerin, von der Schirmherrin etlicher sozialer Projekte in Usbekistan bis zur Funktion der Chefredakteurin eines Magazins reichen, schlägt nun in einem E-Mail-Interview mit dem Guardian zurück. Darin beschuldigt sie Gegner, sie mit Quecksilber vergiften zu wollen, und kritisiert den Geheimdienst, der die Bevölkerung schikanieren würde. Offenbar sind Geheimdienstelemente auf der Seite Lolas. Dazwischen steht der gesundheitlich angeschlagene Vater Islam, dem offensichtlich die Kontrolle über seine eigene Familie entgleitet. Für die Usbeken kann so ein Machtkampf in der Familie freilich nichts Gutes bedeuten. Das einzige, was die Unterdrückungspolitik Karimows als Verdienst vorweisen kann, ist die Stabilität des Landes. Mit einem offenen Machtkampf ist sogar die dahin.

Lieber Teilzeit oder Glasdecke? Ein Vergleich USA-Schweden.

In der Politik, Medien und Lobbying-Verbänden wird seit Jahren diskutiert, wie man den Anteil von Frauen in Spitzenpositionen erhöhen könnte (bzw. im Umkehrschluß den Anteil der Männer verringern.) Gleichzeitig wird lange diskutiert, wie man die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ verbessern könnte.

Doch kann man beide Ziele gleichzeitig erreichen? Das ist die Frage, die sich einem nach Lektüre dieses Aufsatzes von Christina Hoff Sommers stellt, die für das American Enterprise Institute Schweden und die USA in bezug auf Frauen am Arbeitsmarkt vergleicht.

In Schweden ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kein leeres Wort. Das Modell ähnelt dabei sehr dem österreichischen. Es gibt eine bis zu sechzehn Monate dauernde Karenz mit tw. einkommensabhängigem Karenzgeld, einem Recht Elternteilzeit bis zum siebenten Geburtstag des Kindes und staatlich subventionierte Kinderbetreuungseinrichtungen von Kinderkrippen bis zum Hort. In den USa gibt es nur einen kurzen Mutterschutz (manchmal auch bezahlt), für manche Arbeitnehmer und alle Selbständigen überhaupt keine öffentliche Absicherung. Und dieser Unterschied macht sich auch bemerkbar: Die Erwerbsquote der Frauen[1] lag laut Weltbank 2010 bei 77%, damit nur 5 Prozentpunkte niedriger als die Erwerbsquote der Männer. In den USA ist die Erwerbsquote der Frauen mit 67% niedriger, der Abstand mit 11 Prozentpunkten zu den Männern deutlich höher. Österreich liegt mit einer Frauenerwerbsquote von 69% und einem Abstand von 12 Prozentpunkten etwa auf US-Niveau.

Der große Unterschied zwischen Schweden und den USA besteht dann aber in der Art der Erwerbstätigkeit der Frauen. In Schweden (und übrigens noch mehr in Österreich) arbeiten viele Frauen Teilzeit. (Hier gibt es übrigens eine Diskrepanz zwischen Weltbank und schwedischer Statistik) In den USA ist das seltener der Fall – weil es zu wenige Teilzeitstellen gibt. Viele Frauen und auch einige Männer würden nämlich nach Befragungen gerne Teilzeit arbeiten, um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. So ein Job findet sich aber gar nicht so leicht.

Umgekehrt gibt es in den USA viel mehr Frauen in höheren Positionen, viel mehr Frauen in qualifizierten Berufen, die typischerweise von Männern ausgeübt werden. Die USA haben die geringste Lücke zwischen dem Anteil weiblicher Arbeitnehmer, die in Führungspositionen sind, und männlicher Arbeitnehmer in eben diesen.

Der Grund ist simpel: In den USA wird man quasi gezwungen, sich auf den Beruf zu konzentrieren und die Familie zu vernachlässigen. Das reduziert natürlich Brüche in der Erwerbsbiographie. Umgekehrt: Wenn die notwendige Kinderbetreuung praktisch so viel kostet wie der Job bringt, dann bleibt ein Elternteil lieber gleich ganz zu Hause. Da gibt es dann gar keine Erwerbsbiographie mehr.

Der Sukkus: Das schwedische Modell schafft eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und kommt damit den Wünschen des Großteils der Menschen entgegen. Das amerikanische Modell dagegen kommt denen entgegen, für die Karriere, wirtschaftlicher Erfolg im Vordergrund stehen. Trotz dieser Unterschiede sind aber beide Länder wirtschaftlich erfolgreich.

[1] Die Erwerbsquote lt. Weltbank ist die Zahl der Personen im Alter zwischen 15 und 64, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Nicht erfaßt sind daher Personen in Ausbildung oder Personen, deren Tätigkeit nicht bezahlt wird, wie z.B. häusliche Erziehungsarbeit.

Ganz schön infam

Da mich die vorgebliche Aufklärungsbroschüre „ganz schön intim“ des Unterrichtsministeriums in der Vergangenheit schon mehrmals beschäftigt hat, verlinke ich (schon wieder) zu Andreas Unterberger, der sich über die bewußte Manipulation der Kinder und der Öffentlichkeit unter dem Titel „Ganz schön infam“ in Rage schreibt:

Beispielsweise vermeldete das ORF-Radio, dass dieser Text von den Elternvertretern begrüßt worden sei. Es sagt aber wohlweislich nicht, welche Elternvertreter das gewesen sein sollen. Denn in Wahrheit hat keiner der großen Elternverbände diese Schrift bisher verteidigt. Die meisten haben sie kritisiert.

Beispielsweise wurde da in vielen Medien (natürlich wieder gleichlautend mit dem Schmiedschen Propagandaapparat) behauptet – wieder einmal ungenannt bleibende – „Experten“ würden die Schrift für richtig halten. Als jedoch über Hundert Pädagogen und Wissenschaftler mit dem vollen eigenen Namen die Schrift kritisierten, wurde das einfach totgeschwiegen.

Beispielsweise nahmen sofort mehrere Medien die SPÖ-Formulierung auf, dass sich ohnedies nur einige „rechtskatholische“ Eltern dagegen ausgesprochen hätten. […] Und mit der Zufügung von „rechts“ werden die Kritiker im linken Jargon gleich unterschwellig in die Nähe von SS und NSDAP gerückt. Tatsache ist jedenfalls, dass „Ganz schön intim“ auch bei Menschen auf Empörung stößt, die mit Kirche überhaupt nichts zu tun haben, und genauso wenig mit „rechts“.

Warum in Rage? Weil er Zitate wie diese gefunden hat:

Im O-Ton der Schmied-Broschüre, den man sich wirklich dreimal durchlesen muss: Ob „ein Baby als Mädchen oder Bub ausgewiesen wird, ist von Menschen festgelegt und unterliegt Wandlungen und sich verändernden Wertvorstellungen“. […]

Noch unglaublicher ist, mit welcher abenteuerlichen Argumentation in der – mit Steuergeld finanzierten – Broschüre das Thema Prostitution behandelt wird. Im Wortlaut: „Eigentlich können Kinder gar keine Huren oder Stricher oder Sexarbeiter­_innen sein, weil sie noch keinen Beruf haben.“ Na super: Und dann, wenn wir einen Beruf haben, entscheiden wir uns halt.