Christian Kern macht blau oder Die Halbwertszeit von Wahlversprechen war auch schon länger

Christian Kern, ORF-Sommergespräch vom 4. September: Wenn die SPÖ am Wahltag nur Zweiter werde, gehe sie in Opposition. Siehe etwa einen „Presse“-Bericht dazu oder den ORF-Bericht.

Christian Kern, SPÖ-Bundesparteivorstand am 16. Oktober: Die SPÖ werde mit allen Parteien Gespräche über eine Koalition führen. Siehe den „Presse“-Bericht von heute.

Als Wolfgang Schüssel 1999 die ÖVP-Wähler mit dem Satz mobilisierte, wenn die ÖVP Dritter werde, gehe sie in Opposition, wurde Schüssel nach der Wahl medial bekniet, er möge sich doch angesichts dessen, dass die ÖVP quasi ex aequo mit der FPÖ liege, nicht an den Buchstaben seines Versprechens halten. Über mehrere Gesprächsrunden hinweg versuchte man, der ÖVP die Rückkehr in eine SPÖ-ÖVP-Koalition zu ermöglichen. Erst, als breiter Konsens herrschte, dass die ÖVP doch bitte in eine Regierung gehen solle, brach die ÖVP ihr Versprechen auch offiziell und ging in Regierungsverhandlungen. Als es statt einer SPÖ-ÖVP- dann eine ÖVP-FPÖ-Koalition wurde, wurde Schüssel freilich vollmundig vergeworfen, er habe sein Versprechen gebrochen. Anscheinend ist Vizekanzler quasi eh Opposition und wäre daher ok gewesen

Die SPÖ bedarf nicht einmal eines Vorwands, um ein ähnlich gelagertes Versprechen über Bord zu werfen, obwohl es ebenfalls seinen Moblisierungszweck erfüllt haben dürfte. Es ist noch skurriler: Viele frühere Grün-Wähler haben diesmal die SPÖ als Bollwerk gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung gewählt, weil sie wohl die Grünen als irrelevant im Regierungspoker beurteilt haben. Diese Wähler erleben bereits am Tag nach der Wahl ihr blaues Wunder, da die SPÖ recht unverhohlen auf ein rot-blaues Bündnis schielt.

Aus persönlichem Interesse Kerns übrigens verständlich, politisch aber dumm, da die SPÖ gegen Schwarz-Blau einfach reüssieren und die Grünen für längere Zeit aus dem Parlament draußenhalten könnte. Rot-Blau wäre dagegen für die Grünen der Rettungsanker, denn es würde klar zeigen, wozu es einer moderaten linken Alternative zur SPÖ bedarf.

Maria Schnee

Masolino da Panicale: Die Gründung Groß-Sankt-Mariens in Rom (Museo di Capodimonte)

Masolino da Panicale: Die Gründung Groß-Sankt-Mariens in Rom (Museo di Capodimonte)

Es ist mitten im Sommer, und daher der beste Zeitpunkt für „Maria Schnee“: Am 5. August feiert die Kirche das Weihefest der Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore, in älteren Büchern auch eingedeutscht Groß-Sankt-Marien.

Denn am Morgen des 5. August 358 (oder 363?) soll die Kuppe des Esquilins in Rom von Schnee bedeckt gewesen sein. Nun hatten in der Nacht zuvor sowohl der Patrizier Johannes und seine Frau als auch Papst Liberius einen Traum, dass dort eine Kirche zu Ehren der Jungfrau Maria gebaut werden solle, wo am nächsten Tag Schnee liege. Das Ehepaar, das ohne Kinder geblieben war, wollte nämlich sein Vermögen zu Ehren der Mutter Gottes verwenden. So wie wohl viele andere Römer strömten auch Johannes und Liberius zum Ort des Schneefalls und erzählten einander von ihren Träumen, die nun plötzlich Bedeutung gewannen. So wurde die Kirche errichtet und der hl. Maria geweiht.

Dazu sei ergänzt, dass Liberius erst 358 aus einem langjährigen Exil zurückkehrte, und die Errichtung der „Basilica Liberii“, wie sie früher auch genannt wurde, wohl auch ein Ausdruck der Dankbarkeit dafür sein konnte, dass die römische Kirche eine kirchenpolitisch schwierige Phase relativ friedlich überstanden hatte.

Bereits 432/434, als das Römische Reich im Westen bereits am Sterbebett lag, konnte Papst Sixuts III. einen Neubau eröffnen, den wohl schon sein Vorgänger Coelestin I. begonnen hatte. Da die Goten 410 in Rom wie die Barbaren gehaust haben, die sie auch waren, gehen übrigens einige Bauwerke auf das Konto Sixtus’ III., der den Wiederaufbau Roms angesichts des Versagens des Staates maßgeblich vorantrieb. Auch Santa Maria Maggiore war ein Opfer der Goten geworden. Doch der Zeitpunkt des Neubaus fügte sich glücklich, war doch in Ephesos zeitgleich die Bezeichnung Mariens als Gottesgebärerin bekräftigt worden.

Nicht nur die prachtvolle Kirche Santa Maria Maggiore, mit der im Kern spätantiken Marienikone und den wunderbaren Mosaiken, ist Maria Schnee gewidmet. Auch in Österreich gibt es etwa eine Wallfahrtskirche Maria Schnee in Drosendorf, eine im Texingtal, im Kärntner Lesachtal; auch die bekannte Minoritenkirche in Wien ist „Madonna della Neve“ geweiht.

Ich hol’ mir, was mir zusteht 

Wenn man Otto Bauer oder Friedrich Adler gefragt hätte, diese Vordenker der österreichischen Sozialdemokratie in den Zwanziger und Dreißiger Jahren, welche Partei wohl den Spruch „Ich hol’ mir, was mir zusteht“ führen würde,  sie wären kaum auf die eigenen Sozialdemokraten gekommen. Zwar ist das Gefühl, selbst zu kurz zu kommen, immer eine mächtige politische Triebfeder. Aber Verteilungsfragen so plump auf subjektive solipsistische Befindlichkeiten herunterzubrechen, ist doch gewagt. Der eher auf die Arbeiterklasse als Ganzes ausgerichteten Austromarxisten wäre so eine individualistische Sicht nie in den Sinn gekommen, wie sie die SPÖ unter Christian Kern zu ihrem Wahlkampfslogan gemacht hat.

Wobei ja das bekannte Problem steht, dass es einfach nicht genug Güter auf dieser Welt gibt, damit sich jeder das holen kann, von dem er glaubt, dass es ihm zusteht. Viele große und grausliche Beziehungs- und Familiendramen beginnen mit diesem Satz, viele sexuelle Übergriffe werden sogar mit den gleichen Worten begründet. Und auch bei harmloseren Vermögensdelikten steht oft der Gedanke im Hintergrund: „Eigentlich hol’ ich mir nur, was mir ohnehin zusteht.“

Einer Partei, die einmal von sozialem Zusammenhalt und Solidarität phantasiert hat, ist so ein Slogan unwürdig. Aber wer ein „Programm für Wohlstand, Sicherheit und gute Laune“ präsentiert, nimmt sich offensichtlich eh nicht ernst.

Ehe ab 0, ab 16, ab 18: Eine Debatte erreicht Österreich

Die Debatte über Kinderehen ist nun auch nach Österreich übergeschwappt — die entsprechende Praxis selbst wird hierzulande wohl in ähnlicher Relation wie in Deutschland vorhanden sein. Dazu hat Familienministerin Karmasin nun vorgeschlagen, das Ehealter allgemein auf 18 Jahre hinaufzusetzen und im Ausland geschlossene Ehen mit jüngeren Ehepartern nicht mehr anzuerkennen.

Grundsätzlich gibt es im § 6 IPRG bereits eine Vorbehaltsklausel, die z.B. die Anerkennung ausländischer Ehen und anderer fremder Rechtsbestimmungen ausschließt, wenn sie mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar sind. Man sagt auch, die Vereinbarung nach ausländischem Recht verstößt hierzulande gegen den ordre public.

EGMR: Kinderehen müssen nicht anerkannt werden

Unter diesem Stichwort wurden schon bislang — im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte — Zwangsehen und Kinderehen von österreichischen Gerichten die Anerkennung verweigert, wobei aber die weiteren Umstände zu würdigen sind. So hat der EGMR es abgelehnt, dass einer spanischen Romawitwe nach 30 Jahren Ehe die Witwenpension versagt wurde, weil sie bei Eheschließung nach spanischem Recht nicht ehefähig war.

Dabei hilft es, dass auch in vielen Staaten die Zivilehe erst ab 16 erlaubt ist, allerdings regelmäßig auch Ehen nach Schariarecht anerkannt werden. So kann man die zivilrechtlichen Ehen im Sinne gegenseitiger Anerkennung behandeln, die Schariaehen aber differenziert behandeln. Die Scharia kennt nämlich — anders als die christliche-abendländische Tradition — kein Mindestalter für die Eheschließung. Selbst wenn aber eine Eheschließung von Kindern nach nationalem Recht gültig war, so muss ein Aufnahmestaat diese Ehe nicht anerkennen, wie der EGMR z.B. 2015 festgehalten hat. (EGMR, Z.H. und R.H. gegen die Schweiz, 60119/12)

Es wäre keine Schwierigkeit, im österreichischen Recht zu verankern, dass im Ausland geschlossene Ehen, die in Österreich aus Altersgründen nicht geschlossen werden dürften, generell gegen den ordre public verstoßen.

Mit 16 wählen, aber sonst nicht viel

Warum deswegen aber das österreichische Eherecht geändert werden muss, bleibt schleierhaft. Mit 16 ist die Ehe ohnehin nur möglich, wenn das Gericht zustimmt und der Ehepartner volljährig ist. Das ist wohl vor allem für die Fälle gedacht, in denen junge Eltern ein (meist unerwartet früh empfangenes) Kind ehelich zur Welt bringen wollen. Das werden nicht viele sein, und dank gerichtlicher Kontrolle muss man sich um diese österreichischen Eheschließungen wohl die geringsten Sorgen machen.

Es ist zudem nicht ganz stringent, das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt zu haben, aber in anderen Bereichen, wie etwa Tabakkonsum oder nun die Eheschließung, das Mindestalter zu erhöhen. Entweder, die Jugendlichen sind mit 16 schon so reif, weitreichende, informierte Entscheidungen wie diejenigen über die politische Zukunft Österreichs zu treffen, oder man kann ihnen nicht einmal zutrauen, eine gerichtlich überprüfte Ehe zu schließen.

Ehe für alle?

Etwas skurril wird es auch, wenn man auf diese Debatte die Argumente der „Ehe für alle“ anwendet. Da heißt es manchmal, der Staat würde so in den Betten seiner Bürger schnüffeln, oder ihnen vorschreiben, wen sie lieben dürften. Und überhaupt, wenn zwei doch Verantwortung übernehmen wollen … . Diese Argumente sind sowieso Schmafu, verkennen sie doch den Sinn und Zweck der Ehe. Doch schnell stellt sich heraus, wie hohl diese Argumente wirklich sind, traut sich doch kaum jemand, der den Kampfbegriff der „Ehe für alle“ verwendet, sie konsequent auch auf andere Verhältnisse anzuwenden. Im Gegenteil: So begrüßt die Homosexuelleninitiative Wien ausdrücklich eine Anhebung des Alters der Ehefähigkeit. Doch nicht „Ehe für alle“.

Ignatius von Loyola

Peter Paul Rubens: Die Wunder des hl. Ignatius von Loyola

Peter Paul Rubens: Die Wunder des hl. Ignatius von Loyola. Quelle: KHM unter diesen Nutzungsbedingungen

Ignatius von Loyola muss eine eindrucksvolle, charismatische Persönlichkeit gewesen sein, voller Tatkraft und Energie. Ihm fehlte in seiner Jugend aber wohl das richtige Ziel, wohin er diese Energien seiner Person wenden sollte.

Wie es üblich war, so schlug der 1491 geborene jüngste Sohn eines baskischen Adeligen eine militärische Laufbahn ein. Kurz vor seinem dreißigstem Geburtstag brachte eine schwere Verletzung, die er bei der Verteidigung Pamplonas durch eine Kanonenkugel erlitt, die unerwartete Wende.

Aber es folgten mehrere Stationen, bis Ignatius seine Bestimmung finden sollte: Eine Zeit der Meditation in einer Berghöhle; eine Pilgerreise ins türkisch besetzte Jerusalem; das Nachholen eines gründlichen Lateinunterrichts und des Studiums der Theologie in Alcalá de Henares, Salamanca und schließlich der Sorbonne. Anfeindungen hatten die Wechsel des Studienorts notwendig gemacht. Ignatius bleibt über lange Zeit ein Suchender und entwickelt dabei eigene Techniken des geistlichen Übung – die Exerzitien.

Wie es in seiner Biographie auf der Website der Jesuiten heißt:

Dabei wird Ignatius durch innere Kämpfe hindurch, die ihn bis an den Rand des Selbstmords treiben, für innere Bewegungen, Motivationen sensibel. Durch seine eigenen geistlichen Erfahrungen und die Gespräche mit vielen Rat suchenden Menschen öffnet sich seine Lebensdynamik für die Nachfolge Jesu und die Hilfe für die Mitmenschen. Vor allem die Exerzitien und das Exerzitienbuch sind ein bleibendes Zeugnis für die Eigenart seiner „animatorischen“, d.h. beseelenden, belebenden Pastoral.“

In Paris traf Ignatius auf sechs Gleichgesinnte. Aus dieser Gemeinschaft sollte dann der Jesuitenorden wachsen. Mit 46 Jahren empfing der Spätberufene die Priesterweihe. Die ursprünglich avisierte Mission im Heiligen Land war durch die Zeitumstände allerdings unmöglich, und so widmete sich Ignatius der Organisation der Mission in Europa, die in Folge der Reformation besonders notwendig geworden war. Es ist wohl kein Zufall, dass Papst Paul III. den Orden mit den Worten bestätigt haben soll, die Gesellschaft Jesu sein ein „Finger Gottes“.

Gerne wird die straffe Organisation des Ordens erwähnt, der hohe Wert, der dem Gehorsam von Ignatius beigemessen wurde, und die Treue zum Papst. Doch das rasante Wachstum des jungen Ordens hat viel mit Ignatius selbst zu tun. Er hat nichts verlangt, was er nicht von sich selbst auch verlangt hat; er wurde geliebt, weil er auch selbst die Menschen liebte und das in seinem täglichen Einsatz auch zeigte. Schließlich war er in seiner Führung zwar bestimmt, aber pragmatisch und entschärfte so viele Konflikte, wie sie in jungen Gemeinschaften entstehen.

Als Ignatius am 31. Juli 1556 mit 65 Jahren starb, hatte der junge Jesuitenorden bereits 1.000 Mitglieder und betreute mehrere Ausbildungsstätte, jesuitische Missionare waren bis China unterwegs. Ein großes Werk in so kurzer Zeit und gegen etliche Widerstände.

Ignatius hat mit dem „Bericht des Pilgers“ einen Einblick in seine sprituelle Reise hinterlassen, den man online lesen (über die Korrektheit des Textes kann ich nichts sagen) oder z.B. hier beim Verlag der Jesuiten bestellen kann.

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz …

Die Gleichnisse Jesu vom heutigen Sonntag werden schon im religiösen Büchern für Kleinkinder gerne verarbeitet. In der Übersetzung von P. Konstantin Rösch klingt dieser Abschluss einer langen Gleichnisrede im 13. Kapitel des Matthäusevangeliums so:

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker verborgen war. Ein Mann fand ihn, deckte ihn aber wieder zu. Voll Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte jenen Acker.

Mit dem Himmelreich verhält es sich auch wie mit einem Kaufmann, der edle Perlen suchte. Als er eine kostbare Perle gefunden hatte, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.

Weiter ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Fischnetz, das ins Meer geworfen wurde und Fische aller Art einfing. Als es voll war, zog man es ans Ufer, setzte sich und sammelte die guten in Gefäße, die schlechten warf man weg.

So wird es auch am Ende der Welt sein: Die Engel werden ausziehen und die Bösen aus der Mitte der Gerechten aussondern und sie in den Feuerofen werfen. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. Habt ihr das alles verstanden?“ Sie antworteten: „Ja.“

Da sagte er zu ihnen: „Darum gleicht jeder Schriftgelehrte, der in der Lehre des Himmelreichs bewandert ist, einem Hausvater, der aus seinem Schatz Altes und Neues hervorholt.“

Vordergründig ist die Interpretation einfach: Die unaussprechbare Herrlichkeit des Reiches Gottes wird in Gleichnisform zumindest angedeutet, ebenso werden die letzten Dinge angesprochen. Doch dahinter steckt mehr.

Es fängt damit an, dass die Adressaten der Gleichnisse die Jünger sind, deren Verständnis schließlich gelobt wird. Das ist auch ein wesentlicher Verständnisschlüssel, weil Jesus von denen, die ihm nachfolgen und sein Wort weitergeben wollen, immer mehr verlangt als von den „normalen Gläubigen“.

Schauen wir uns das erste Gleichnis an: Der Schatz im Acker. Der Mann findet den Schatz, eignet ihn sich dann aber nicht gleich quasi als Finderlohn an. Ausdrücklich wird erzählt, dass er alles verkauft, was er besaß, um den Acker zu kaufen und damit zum rechtmäßigen Besitzer des Schatzes zu werden. Wie schon Hilarius von Poitiers betont hat, kann dieser Schatz nicht die Lehre Jesu sein, denn diese predigte er öffentlich und war jedem zugänglich. Vielmehr ist es die Wirklichkeit des Reiches Gottes — Hilarius denkt dabei an die Menschwerdung Gottes und das eucharistische Geheimnis. „Die Macht aber, diesen Schatz samt dem Acker zu benutzen und zu besitzen, kann nicht ohne Aufwand sein, weil man die himmlischen Reichtümer nicht ohne weltlichen Verlust besitzt“, so Hilarius. Wer aber ist es, der alles aufgibt, um den Schatz im Acker zu heben? Hier haben wir eine starke Parallele zu Mt 10,32ff und Mt 16,24-28.

Auch der Kaufmann gibt alles auf, um eine kostbare Perle zu finden. Doch ist die Situation etwas anders als beim Schatzsucher. Denn der Kaufmann handelt wohl mit Perlen. Während der Schatzsucher ja mit dem Acker auch eine Einkunftsquelle erworben hat, oder eine Weile von seinem Schatz leben kann, müsste der Kaufmann wohl verhungern, wenn er die Perle behielte, so schön sie auch sein mag. Wenn er also auf die kostbare Wahrheit gestoßen ist, so muss er sie doch weitergeben.

Und nun folgt die interessante Parallele zu Kapitel 21 des Johannesevangeliums. Dort fangen Petrus und sechs weitere Jünger 153 Fische, nachdem ihnen Jesus, den sie nicht erkannten, eine Stelle zum Fischen zeigte. Das Netz war zum Reißen voll und wurde ans Ufer gezogen. Natürlich haben wir auch eine Parallele zur Berufung von Petrus und Andreas in Mt 4,19. Die Jünger sollen ihre Netze möglichst weit auswerfen, viele Menschen ansprechen und gewinnen. Freilich werden dabei auch schlechte Fische dabei sein, die man am Ufer (d.h. am jüngsten Tag) dann aussondern muss, will man nicht, dass der ganze Fang rasch verdirbt. Noch sind sie aber Teil der Kirche. Es war ja auch Iskariot einer der zwölf Apostel.

Die Jünger, die all diese Reden verstanden haben und ihren Auftrag begriffen, sie gleichen dann also jemandem, der Altes und Neues hervorholt, worunter Exegeten schon in der Antike jüdische Überlieferung und die Frohe Botschaft Jesu verstanden haben. Die Begriffe „Altes Testament“ und „Neues Testament“ sind auch mit dieser Stelle verbunden.

Damit wären die Bezüge in dieser kurzen Stelle noch lange nicht erschöpft, die weitaus mehr zu denken geben kann, als es so auf den ersten harmlosen Blick sein kann.

Soros und Dragnea werden wohl keine Freunde mehr

Ungarns Premier Viktor Orbán ist wegen seiner Kampagne gegen George Soros des Antisemitismus verdächtigt worden. Ein kurioser Vorwurf, da das (trotzdem höchst seltsame) Sujet keinen Bezug irgendeiner Art zu jüdischen Klischees oder antisemitischen Stereotypen aufweist. George Soros wäre nebenbei bis jetzt auch nicht als engagierter Jude aufgefallen. Aufgefallen ist er aber als Financier antiisraelischer Initiativen — was einem echten Antisemiten ja gefallen dürfte.

Der Vorsitzende der rumänischen Sozialisten, Liviu Dragnea, reiht sich nun ebenfalls in die Soros-Kritiker ein. Nun ist auch hier Soros ein willkommener Außenfeind, weil Dragnea im Mittelpunkt einer weitreichenden Korruptionsaffäre steht, bei der es um Betrug, Veruntreuung staatlicher Gelder und mehr geht, wie die Siebenbürgische Zeitung berichtet.

Grundlose Anfeindungen?

Aber so ganz grundlos sind diese Anfeindungen nicht. George Soros hat mehrere Milliarden Dollar, die er als erfolgreicher Hedge Fund Manager und Investor mit z.T. umstrittenen Praktiken erwirtschaftet hat, in Stiftungen und NGOs eingebracht, die sehr offensiv die (eher linksliberalen) Anliegen von Soros propagieren. Das ist natürlich sein gutes Recht. Es wird aber in vielen Ländern als Einmischung von außen empfunden, was es ja auch ist. Eine solche Einmischung zu kritisieren, ist wiederum deren gutes Recht.

Mir wurde aus gut informierten Quellen zugetragen, dass nach der Wende auch Wien als (ein) Standort für die Central European University angefragt worden sein soll, aber die österreichischen Sozialdemokraten diesen Vorschlag brüsk zurückgewiesen haben sollen. Es wurde dann Prag und Budapest, aber die tschechische Regierung hatte auch keine rechte Freude mit dem Projekt, und so wurde der Standort Prag ja dann aufgegeben. Václav Klaus befürchtete, dass Soros Einfluss auf die tschechische Politik nehmen könnte, und ist noch heute stolz auf seine damalige Entscheidung. Ob SPÖ-Politiker aus Abneigung „gegen Spekulanten“ oder auch aus Angst vor politischer Einflussnahme die CEU ablehnten, weiß ich freilich nicht.

Nebenbei ist es ja amüsant, wie jetzt ähnliche Leute einerseits hohe Vermögensteuern auch mit dem Argument fordern, man müsse den Einfluss reicher Menschen auf die Politik beschränken, aber andererseits jemanden verteidigen, der genau diesen Einfluss geradezu personifiziert. Volle Offenlegung: Ich halte dieses Argument ohnehin für Mumpitz.