Wiener Fehleinschätzungen


Es ist ja beruhigend, dass nicht nur Blogger wie ich, sondern auch viele handelnde Politiker einer Reihe von Fehleinschätzungen erlegen sind.

Die SPÖ etwa wollte mit dem von ihr selbst lange angekündigten „Duell Strache-Häupl“ anscheinend eigene Wähler mobilisieren und Wähler von den Grünen abfangen, die, so das Kalkül, von ihrem Anti-FPÖ-Reflex zur SPÖ getrieben werden sollen. In beschränktem Umfang mag das innerhalb des Gürtels funktioniert haben, aber auch dort mehr wegen der Grünen-Performance. Allgemein aber hat man damit der FPÖ, 2005 drittstärkste Partei nach Stimmen und viertstärkste nach Mandaten, besondere Bedeutung beigemessen. Michael Fleischhacker schreibt in seinem Blog nicht umsonst vom „Strache-Macher Häupl“,  „der mit seiner Ich-oder-Strache-Programmatik entschiedend zu Straches Triumph beigetragen hat.“ Und so mitverantwortlich dafür ist, dass Strache in Wien beinahe an Haiders Bestergebnis herangekommen ist, was ihm sonst nirgends gelungen ist. Dabei darf man natürlich auch nicht Straches Wahlhelferinnen vergessen …

Dabei hat die SPÖ ansonsten alle Register gezogen: Die meisten Medien wurden mit üppigen Inseraten auf Stadtkosten äußerst positiv gestimmt, alle möglichen Projekte, die schon Jahre lang auf die lange Bank geschoben worden waren, vor der Wahl plötzlich mit großen Getöse erledigt, und, so vermutet der Grüne Landtagsabgeordnete Margulies, die SPÖ hatte auch bedenklichere Methoden auf Lager. Nicht zu vergessen sind Untergriffe wie der „Koks-Comic“ und anderes, das z.B. ÖVP-Blogger Gerhard Loub dokumentiert.

Die Grünen und die ÖVP haben beide ihre inneren Gedanken zwar ehrlicherweise ausgesprochen, aber die waren wenig attraktiv, nämlich, dass sie mit Häupl mitregieren wollen. Im Standard sudert Gerfried Sperl davon herum, dass die ÖVP im Wahlkampf zu „rechts“ und zu wenig „liberal“ gewesen sei. Das ist wahrscheinlich die Erklärung, warum offenbar soviele ÖVP-Wähler zur nach Sperl wohl liberalen und mittigen FPÖ gewandert sind. Das Problem Sperls (stellvertretend auch für viele Vertreter der Blogosphäre) ist freilich, dass „liberal“ für sie eigentlich gleichbedeutend mit bourgeoiser Linker ist, sprich: Ihm selbst. Wer konservative Blogs gelesen hat und Stimmungen eingefangen hat, wird bemerkt haben, dass viele deklarierte ÖVP-Anhänger eher das Gefühl hatten, die Wiener ÖVP sei zu beliebig, angepasst und zu wenig konservativ. Aber so bestimmt eben der Standpunkt die Aussicht.

Für die Grünen hat Christoph Chorherr es gut zusammengefasst: Es darf nicht so weitergehen wie bisher. Die Grünen haben sich als Kurskorrektur zur SPÖ verkauft, obwohl doch gerade zur abgewirtschafteten Wiener SPÖ eine wirklich kritische linke Alternative breiten Raum gehabt hätte. Maria Vassilakou hat neben dieser falschen Strategie außerdem einige innerparteiliche Querelen zu verantworten, die zwar im Endeffekt nicht so schlimm geschadet haben, wie befürchtet, aber sicher intern Energie gekostet haben.

Das Interessante dabei: Aus meiner Beobachtung heraus haben Grüne und ÖVP-Abgeordnete in den letzten Jahren viele substantielle Kritik am Rathaus angebracht und auch Missstände aufgedeckt, doch im Wahlkampf verhielten sie sich zahm, um ihren potentiellen Koalitionspartner nicht zu vergrämen. Die FPÖ dagegen hat wenig Oppositionsarbeit geleistet, sich aber als einzige Oppositionspartei positioniert.

Das BZÖ ist diesmal einfach untergegangen. Eigentlich schade, denn mit Walter Sonnleitner hätte es ausnahmsweise einen interessanten Spitzenkandidaten gehabt, aber mit minimalem Wahlkampfbudget und einer verwaschenen Marke ist halt wenig auszurichten. Nichtsdestrotrotz werden wir noch tagelang vom Bezirksrat X hören, der als Ergebnis der erfolgreichen Wahlbewegung gewählt worden sei.

Zum Schluss darf ich noch auf die Frage hinweisen, die auch Tom Schaffer in seiner Analyse stellt:

Vor der Wahl haben die drei damaligen Oppositionsparteien ein Abkommen zur Änderung des Wahlrechts unterschrieben. Die Mehrheitsförderung soll abgeschafft werden. FPÖ, ÖVP und Grüne haben dafür jetzt eine Mehrheit. Ob es der SPÖ gelingt, es einer dieser Parteien zugunsten einer Regierungszusammenarbeit “auszureden”?

Wir werden ja sehen.

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